Die Gendersprache, wenn auch eher im Rückzug, findet gleichwohl noch da und dort Eingang. An Orten, wo man sie nie vermuten würde. In der 7800-Seelen-Gemeinde Untersiggenthal, vor den Toren der Stadt Zürich, traf ich auf der Suche nach einem Parkplatz vor einem neu errichteten Wohn- und Gewerbebau auf die Beschriftung BESUCHENDE. Ohlala, der neue Spirit, vorwiegend von Stadtmenschen kultiviert, die dank erhöhter Mobilität die Flucht aufs Land, zurück in die Natur vollzogen haben, während sie sich von der eigenen menschlichen Natur immer weiter entfernen, schlägt voll durch.
Zwei Fliegen auf einen Streich schlagen
Der vor allem in Städten vorangetriebene Abbau der Parkplätze macht aus Automobilisten SUCHENDE, die, so nebenbei erwähnt, beim Herumkurven auf der Suche nach einem Parkplatz zu einer zusätzlichen Umweltbelastung genötigt werden. Mit der Beschriftung SUCHENDE hätte man/frau/es aber auch all jene Geschöpfe abholen können, deren vordringlichstes Problem es ist, sich selber zu verorten: Wer oder was bin ich? (Im einen oder anderen Fall wäre vielleicht eh LEIDENDE der zutreffendere Begriff.) Damit wäre dann allen Leuten Recht getan. Ein elementares Problem menschlichen Daseins hätte einen treffende Bezeichnung erhalten und könnte im Duden, der Düdin und des Düdeness auf ewige Zeiten verankert werden.
Der simpel gestrickte Mensch
Derweil gilt es natürlich festzuhalten, dass wahrscheinlich nicht wenige Erdenbewohner gar nicht so unglücklich wären, wenn jene Spezies, die sich von der männlichen Form einer Sachbezeichnung – wie BESUCHER — ab- und ausgestossen fühlen, genau aus diesem Grund ihre Aufwartung verweigern. An diesem Punkt gilt es im gleichen Atemzug eines neuen und leichtfertigen Gesprächsgebrauchs einzuwenden, dass natürlich nur Rechtsextreme zu solchen Gedanken neigen, wie ich sie hier zu Papier bringe. Der Mensch, unabhängig seines Bildungsstandes, bleibt halt doch simpel gestrickt…
Die Frage nach seinem Geschlecht gehört geklärt
Inzwischen gibt es ja auch dieses 0,0000etwas Promille von Geschöpfen, die sich masslos daran stören, dass die Ampel an Fussgängerstreifen ein Männlein aufleuchten lässt. Ist es wirklich ein Männchen? Wer weiss, was da in der Hose steckt? Die Mode hat ja längst auch Frauen und was es da noch alles geben mag, mit dieser Beinbekleidung beglückt. Man/frau/es müsste also tiefer forschen, um dem Geschlecht dieses leuchtenden Wesens auf den Grund zu gehen.
Eine unabschätzbare Gefahrenquelle
Wollte man den offenbar neuen Trend bei der Bezeichnung von Parkplätzen konsequent fortsetzen, müsste sich das Augenmerk schleunigst auf die Frauenparkplätze in Tiefgaragen richten. Denn: Noch heisst es ja DER Parkplatz, und weitaus dramatischer: DER Frauenparkplatz. Er ist, oh Graus, männlich geartikelt. Wenn ich es mir aber angesichts der vorherrschenden Logik genauer überlege, können Sternchen und Doppelpunkte in diesem Fall sehr kontraproduktiv sein. Wer weiss denn, welches der vielen Geschlechter sich davon angesprochen fühlen könnte? Wer weiss, welche Gelüste und Neigungen sich im Variantenreichtum dieser Formen des Menschseins verstecken? Für das weibliche Geschlecht könnte sich daraus eine ganz neue Gefahrenquelle auftun.
Was interessiert mich noch die Mehrheit?
Man/frau/es weiss aus mehreren Umfragen im germanischen Sprachraum, dass eine erdrückende Mehrheit von generell über 80 Prozent diese Sprachverhunzung des Genderns ablehnt. Dank medialer Unterstützung ist sie aber weiter verbreitet als es einsame Rufer in der Wüste sind. Verschiedenenorts ist das Gendern in der Amtssprache inzwischen verboten worden, namhafte Zeitungen haben es ihren Redaktionsmitarbeitenden ebenfalls untersagt sich der Sternchen- und Doppelpunktkultur zu unterwerfen, weil eine stetig wachsende Zahl der Leserschaft dies unsägliche Problem einer neuzeitlichen Spezies mit der Kündigung des Abonnements quittiert hat. Es ist auch bekannt, dass Produktehersteller, die in ihrer Werbung auf diesen Zug aufgesprungen sind und sich damit auf der Seite einer obergeilen Originalität glaubten, mit massiven Einsatzbussen konfrontiert wurden. Sie mussten ihre Botschaft wieder vornehmlich an jene Menschgruppe richten, die – igitt – den Fortbestand unserer Art sicherstellt, genauso, wie es die Natur in ihrer unerschütterlichen Logik vorgesehen hat.
Nicht mal die schmutzigste Fantasie hilft
Dazu noch eine Episode: Als ich in London auswärts Essen ging und den Gang zum WC vollzog – nicht etwa, weil die Kochkünste versagt hätten – wurde ich etwas überrascht: Es gab nur noch eine einzige Unisex-Toilette. Auf der Türe hatte der Restaurantbetreiber in gut lesbaren Lettern vermerkt: «Setzen Sie Prioritäten im Leben. Befreien Sie sich wenigstes hier, an diesem Ort, von einem wahrlich naturgegebenen Problem, und bauen Sie Druck ab. Fühlen Sie sich ganz einfach als Mensch».
Vor dem Hintergrund, dass mir vor etwa drei Jahren ein Student offenbarte, dass an der Universität in Berlin gelehrt werde, dass es unter Menschen mehr als 90 verschiedene Geschlechter geben soll, tauchte die Reaktion des Londoner Gastwirtes in ein nachvollziehbares Licht ein. Man/frau/es stelle sich mal vor, er hätte «00-Druckabbau-Kabinen» für über 90 Geschlechter einrichten müssen. Die hierfür notwenige Bauerweiterung hätte sich wohl über das ganze Stadtquartier erstreckt, und hätte mit Sicherheit zahllose Baueinsprachen zur Folge gehabt. Nochmals zu den angeblich über 90 Geschlechtern, wie sie unsere neue geistige Elite gezählt haben will: Selbst die schmutzigste Fantasie hilft mir dabei nicht auf die Sprünge, so dass ich es nachvollziehen könnte. Und irgendwie habe ich auch keinen Bock darauf!